Von 1 auf 700 Bagel am Tag!

Die Amerikanerin Laurel Kratochvila lebt mit ihrem Partner Roman seit 2011 in Berlin. Roman eröffnete im Prenzlauer Berg eine Filiale von „Shakespeare and Sons“. Laurel war jeden Tag im Buchladen, langweilte sich ein wenig und hatte viel Zeit zum Nachdenken.
Ein unglücklicher Amerikaner, den sie mit ihrem ersten selbstgebackenen New York Water Bagel beglückte, war der Startschuss für ihr Café- und Bagelbusiness. Sie startete ihre Mini-Bagel-Produktion in der Mini-Küche in Badewannengrösse. FINE BAGELS war geboren.
Seit 2014 sind Books & Bagels am neuen Standort in Friedrichshain. Und die Bagel rocken! Heute werden bis zu 700 Bagel pro Tag bei FINE BAGELS gekocht und gebacken. Gut die Hälfte der Produktion geht an andere Berliner Cafés und Läden. Ein tolles Zusatzgeschäft!

Wie Laurel diese Expansion meisterte, was ein „Gentlemen’s Agreement“ damit zu tun hat und warum Loslassen so wichtig war, das erzählt sie heute. Wir haben das Gespräch in Englisch geführt und ich habe es übersetzt.

Was ist das FINE BAGELS?

FINE BAGELS ist der Name des Cafés hier. Das FINE BAGELS startete 2013 als Teil unseres 1. Buchladens im Prenzlauer Berg, in einer winzigen Küche in „Badewannengröße“ mit einem IKEA-Ofen.
Das war damals mein kleines Extra im Buchladen. Als die Nachfrage nach meinen Bagels kräftig anstieg, haben wir FINE BAGELS in ein separates Unternehmen ausgegliedert. Somit gibt es heute die “Shakespeare and Sons GmbH” und dazu die “Fine Bagels U.G.”.

Wir machen den „New York Water Bagel“.

Das Besondere an unseren Bagels ist die Herstellung: Den Teig stellen wir selbst her und kochen und backen die Bagel jeden Morgen frisch. Wir halten uns weitgehend an die Klassiker – „Cream Cheese and Salmon“. Darüber hinaus bieten wir auch noch ausgefallenere Aufstriche an.
Wir backen täglich bis zu 700 Bagel. Davon sind 300 – 350 Bagel für unser Café. Die restlichen Bagel liefern wir an andere Berliner Cafés und Läden. Das ist für uns zu einem tollen Zusatzgeschäft geworden. Und ja, die Nachfrage steigt weiter.

Dein USP – was ist beim Café FINE BAGELS anders als bei anderen Cafés?

Wir sind einer der wenigen Orte, wo die Bagel noch auf traditionelle Weise – im Wasserbad gekocht – hergestellt werden. Sogar in den USA ist es mittlerweile so, dass man in der Hälfte der Bagel-Shops keinen guten, echten Bagel mehr bekommt. Stattdessen werden da die Bagel in Öfen mit Dampfeinspritzung gebacken.

Bei FINE BAGELS gibt es echte, hausgemachte New York Water Bagel.

Motivation – Wann hast du gegründet? Und warum?

Ich bin Amerikanerin und habe mit 25 Jahren relativ früh geheiratet. Mein Mann Roman ist Tscheche und wir haben uns in den USA kennengelernt. In 2011 entschieden wir uns nach Berlin zu ziehen. Roman wollte dort eine neue Filiale des englischsprachigen Buchladens „Shakespeare & Sons“ eröffnen. Ich liebe Buchläden. Sie sind ein Paradies, vor allem, wenn man so gerne liest wie ich. Aber trotzdem hätte ich gerne was Eigenes geschaffen.
So war ich auch oft im Buchladen, langweilte mich ein wenig und hatte viel Zeit zum Nachdenken. Ich koche und backe gerne im typischen American-Jewish-Style, so wie ich es von meiner Mutter und Grossmutter gelernt habe.

Irgendwann kam mir die Idee mit Kaffee und Bagel die Bücherkundschaft zu beglücken.

In einer Mini-Mini-Ecke des Buchladens begann ich mit meinem winzigen Kitchen-Aid-Mixer und einem IKEA-Backofen traditionelle Bagel herzustellen – sechs Bagel pro Backvorgang.

STECKBRIEF Fine Bagels
Adresse: FINE BAGELS, Warschauer Strasse 74, 10243 Berlin, Telefon: 030-40003685 www.finebagels.com

Öffnungszeiten: Montag – Sonntag: 08:00 – 20:00 Uhr

Betreiberin: Laurel Kratochvila

Eröffnung: 2013 Prenzlauer Berg, 2014 in Friedrichshain

Geschäftsmodell: Café mit Schwerpunkt Bagel, aber auch andere jüdische Leckereien // Zusatzgeschäft: Backt Bagel für andere Cafés

Besonderes: Laura organisiert die NOSH Berlin – a week of wonderful Jewish food in Berlin, 19. – 26.03.2017

Mitarbeiter: 3 Vollzeit, 12 auf 450€ Basis

Grösse: ca. 200 qm mit Buchladen

Kapazität: 45 Sitzplätze innen, 20 Sitzplätze draussen

Finanzierung: Prenzlauer Berg: 300 €; Friedrichshain: 20% Eigenkapital, 80% Fremdkapital durch einen Privatkredit

Umsatzverteilung: 50% Food & % Beverage, 50% Buchhandel

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Bio Laurel Kratochvila
Laurel Kratochvila
seit 2013 – heute: Inhaberin und Geschäftsführerin von FINE BAGELS

Ausbildung:
2005 Tufts University B.S. in Physics, USA

Berufserfahrung:
2012: Umzug nach Berlin

Fine Bagels UND SEINE PHILOSOPHIE
Wir machen den „New York Water Bagel“.

Das Besondere an unseren Bagels ist die Herstellung: Den Teig stellen wir selbst her und kochen und backen die Bagel jeden Morgen frisch.

Meilensteine – Was waren die größten Meilensteine bis zur Eröffnung? Und danach?

2011: Umzug nach Berlin und Eröffnung der Buchhandlung „Shakespeare & Sons“
Wir sind 2011 nach Berlin gekommen und haben praktisch sofort unsere Buchhandlung „Shakespeare & Son“ eröffnet. Nach ungefähr sechs Monaten haben wir eine winzige Küche eingebaut und eine kleine Kaffeemaschine und den IKEA-Ofen gekauft, damit ich ein paar Cookies und Brownies backen konnte.

2013: Rumspielen mit Bagel-Rezepten und offizielle Eröffnung von FINE BAGELS
Irgendwann begann ich mit Bagel-Rezepten herumzuexperimentieren, aber ganz inoffiziell. Dann beschlossen wir, dass wir zukünftig täglich Bagel hier im Buchladen anbieten wollen. Am 1. Juni 2013 haben wir dem Café seinen Namen gegeben und eröffneten offiziell. Wir hatten ein winziges Bagel-Gestell gebaut, und es war toll: All unsere Freunde kamen vorbei und ich fühlte mich super. Aber ich dachte auch: „Okay, die sind heute gekommen. Aber wer kommt morgen?” Aber die Leute kamen immer weiter.
Mein Café war so klein und unbedeutend. Wir sind den Leuten so dankbar dafür, dass sie es mit all seinen Eigenheiten und dem Mangel an Professionalität angenommen haben, obwohl es nicht so super-perfekt war. Wir haben es mit einer Investition von 300 EUR innerhalb eines bestehenden Ladens gestartet. Es war ein Versuch mit geringem Risiko für mein Passion-Project.
Nachdem das Bagel-Business so gut angelaufen war, konnten wir ein bisschen mehr investieren und dann wieder ein bisschen mehr, bis wir schließlich nach Friedrichshain umzogen.

2015: Gemeinsamer Umzug mit „Shakespeare & Sons“ in eine grössere Location nach Friedrichshain
Der zweitgrößte Milestone war der Umzug in diese Location und der Einbau einer richtigen Küche.

2016: Loslassen und abgeben – Alle wollen Bagels und ich kann nicht mehr alles allein machen
Loslassen ist ein Riesenthema, wenn du expandieren willst, dabei gesund bleiben und Geld verdienen willst. Bis vor zweieinhalb Jahren habe ich jeden Tag gearbeitet – 7 Tage die Woche. Ich wusste nicht, wie ich es sonst anstellen sollte. Wir benötigten zu viele Bagel und ich war die Einzige, die sie machen konnte. Somit war es eine große Sache für mich, als ich endlich jemand anderem beibrachte, wie
der Backprozess läuft. Das war für mich der härteste Teil des Loslassens. Aber dann konnte ich mir endlich auch einmal frei nehmen – einen Tag, ein Wochenende und meine Hände konnten sich etwas erholen. All unsere Bagel erfordern viel Handarbeit und auch das Ausrollen findet bei uns nicht maschinell statt, sondern auf traditionelle Weise per Hand. Inzwischen sind wir sogar soweit, dass ich auch mal richtigen Urlaub machen kann. Das ist toll!
Ich kann jetzt auch den Lifestyle einer Café-Eigentümerin genießen, indem ich einen Teil meiner Aufgaben in der Küche an andere delegiert habe. Das war zu Beginn ein wenig schwierig für mich. Da ist da auf einmal jemand, der anders arbeitet, als du das machen würdest. Ausserdem muss ich die Leute auch managen – das mache ich eher ungern. Aber dieses Investment ist es wert, auch wenn ich das am Anfang lange nicht so gesehen habe.
Es ist es dann auch wunderbar, wenn du Leute bekommst, die du magst und denen du vertraust. Du bist jetzt Teil einer Gemeinschaft. Meine Bagel-Bäcker sind alle sehr stolz auf das, was sie tun. Zuerst hat mich das überrascht, weil es ja mein Business ist. Aber sie sehen das Ergebnis ihrer handwerklichen Arbeit und sind stolz darauf.

Finanzierung – Wie hast du bzw. ihr das Startkapital zusammenbekommen?

Den ersten Laden mit dem späteren kleinen Café im Prenzlauer Berg haben wir durch das bereits bestehende Business finanziert. Wir haben hier wirklich sehr kostensparend gearbeitet und alles selbst gebaut und alles was sonst anfiel selbst gemacht.

Unser jetziges „Books & Bagels“ in Friedrichshain
Für die Eröffnung hat mir meine Familie 10.000 EUR geliehen, die wir inzwischen zurückgezahlt haben. Dazu kam ein Kredit von 40.000 € von einem sehr guten Freund von Roman. Die ausgehandelten Privatkreditkonditionen waren sehr viel besser, als wir sie von einer Bank bekommen hätten. Roman und er hatten stattdessen ein sehr altmodisches “Gentlemen’s Agreement“. Das war wirklich so wunderbar von unserem Freund, das für uns zu tun! Und in diesem Sommer werden wir alles zurückgezahlt haben.

Wenn man das mit anderen Unternehmern vergleicht, haben wir wirklich nicht sehr viel für die Gründung ausgegeben – rund 50.000 EUR.

Luftsprung – was war das Schönste, das du mit dem Café FINE BAGELS erlebt hast?

Wir haben hier wirklich andauernd wunderbare Situationen, wirklich!

Aber einer der aufregendsten Momente für mich war, als ich meinen allersten Bagel gemacht habe.

Und das ist die Geschichte dazu:
Ich habe einen sehr guten Freund, dessen Freundin sich gerade von ihm getrennt hatte und er war entsprechend niedergeschlagen. Er ist ein echter Ostküsten-Amerikaner und wollte sich hier in Berlin einen richtig guten Bagel holen, um sich ein bisschen aufzumuntern. Das tat er auch und war bitter enttäuscht: Es war einer dieser „falschen“ Bagel mit Mayonnaise und welken Salatblättern. Das half seiner Stimmung erst recht nicht weiter und er erzählte mir davon. „Ich mach dir einen Bagel – habe ich zwar noch nie selbst gemacht, aber ich mache einen Bagel für dich.“ sagte ich und meinte, dass ich 24 Stunden benötigen würde und er möge morgen wiederkommen.

Er war dann am nächsten Tag dabei, als ich den Bagel nach dem Kochen und Backen aus dem Ofen holte, roch den Duft und meinte er: “Oh Gott, das ist ein Bagel! Er schmeckt wie ein Bagel und sieht auch wie einer aus. Wie ist das möglich? Ein echter Bagel!”
Auch heute komme ich noch jeden Tag rein und esse einen Bagel. Ich nehme ihn dann gar nicht richtig als meine eigene Leistung wahr, bin fast wie davon losgelöst und denke mir: „Wow, der ist richtig gut!” Darüber freue ich mich sehr.

Turbulenzen – Was waren die größten Schwierigkeiten im Gründungsprozess? Und danach?

Ständig über die Finanzen nachzudenken – das ist niemals leicht, vor allem, wenn du gerade erst anfängst und überlegst: Wieviel brauche ich zum Überleben? Welche Zahlen muss ich erreichen?

Expansion
Wir sind eine Bäckerei und eine unserer größten Herausforderungen ist, Lösungen zu finden wie wir der steigenden Nachfrage nach unseren Bagels gerecht werden.
Wie können wir mehr produzieren? Neues Equipment, bessere Öfen – das kostet alles Geld. Wir müssen kalkulieren: Wenn ich hier investiere, dann muss ich auch den Output erhöhen.
Wir wollen expandieren, aber niemand sagt dir, was du dafür tun musst. Du fängst irgendwie an und dann bieten sich viele Möglichkeiten, die du gar nicht nicht alle wahrnehmen kannst. Hier ein Beispiel: Vor einiger Zeit hat mich ein Unternehmen angesprochen, die von uns 2.000 Bagel pro Woche wollten. Das ging nicht, denn dazu fehlten mir einfach die Kapazitäten. Jetzt könnten wir solche Nachfragen wuppen, denn wir haben unsere Küche und Prozesse der Nachfrage
Aber immer wieder geht es darum: Wenn wir das und das machen, wie stellen wir das an? Wer macht es und wann? Wie sieht der Zeitplan aus? Bekomme ich das hin oder muss ich ablehnen? Das ist eine echte Herausforderung.

Es gab einige Stationen, an denen hätte ich mir wirklich jemanden gewünscht, der mir erklärt, welche Expansions-Optionen ich habe und was da alles auf mich zukommt.

Jemand der von aussen mit anderer Perspektive draufschaut und meinen Tunnelblick aufhellt.

Unterm Strich hatten wir wirklich sehr, sehr viel Glück. Wir haben eine tolle Location hier, was wohl auch mit der Grund ist, dass es funktioniert. Friedrichshain ist eine großartige Location um Geschäfte zu machen. So viele unterschiedliche Leute aus so unterschiedlichen Einkommensklassen, so ein gemischtes Publikum und dazu auch noch viele Touristen. Friedrichshain hat nicht so ein tolles Image, aber die Immobilienrenten sind hier günstig. Gehst du ein Stück weiter den Hügel oder auf der anderen Brückenseite, da ist es schon wieder sehr viel teurer.

Challenge – Was war die größte Herausforderung im laufenden Business?

Nach der Eröffnung hier in Friedrichshain habe ich hier sieben Tage die Woche gearbeitet und alles in der Küche selbst gemacht. Dann erreichte ich den Punkt der totalen Erschöpfung, beinahe wie ein Zusammenbruch. Ich hatte einfach so viel gemacht und konnte meinen Geist gar nicht mehr entspannen. Also musste ich einen Gang runterschalten und habe dann angefangen zu überlegen:

„Wie bekomme ich mein Bagel-Business so hin, dass ich es aufrecht erhalten kann?”

Meine Lösung war das Loslassen und Abgeben, wie ich es oben beschrieben habe.

Tipps – Was sind deine 3-Top-Tipps für heutige Cafégründer?

  1. Plane realistisch, bis dein Business Profit abwirft. Wenn du startest, solltest du
    Geld für die ersten sechs Monatsmieten haben. Es dauert immer eine Zeit, bis das Geschäft richtig anläuft.
  2. Nicht aufgeben! Du kannst eine Geschäftsentwicklung erst dann einschätzen, wenn du schon drei Jahre lang dabei bist. Also durchhalten! Du wirst laue und tolle Tage haben. Häufig geht es auf und ab. Wenn du aber an dein Konzept glaubst, dann halte durch.
  3. Sei in deinem Café anwesend. Sei das bekannte Gesicht, das deine Kunden damit verbinden. Ich kenne viele Leute, die hierherkommen. Das schafft ein Gemeinschaftsgefühl und freut die Kunden. Sie kommen gern zu dir, wenn sie wissen, dass sie von dir mit einem Lächeln begrüßt werden und du weißt, wer sie sind und was sie gern mögen. Das ist der Unterschied zwischen einem kleinen Café bzw. Geschäft und einem großen Unternehmen: Du weißt, wer dahinter steckt – und das ist ein Kriterium, nachdem zumindest ich die Cafés und Restaurants aussuche, zu denen ich in meiner Freizeit hingehe: Ich liebe es, die dahinter stehenden Leute zu kennen und zu merken, dass ihnen etwas an ihrem Geschäft liegt. Ich weiß gern, wem ich mein Geld gebe. Das ist für mich viel angenehmer als zu einer gesichtslosen Ladenkette zu gehen.

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