Warum habe ich das nicht gemacht…

20 Jahre ist es her: Jürgen (damals 35) hatte gerade seinen Job geschmissen. Keinen Bock mehr auf Mode. Er radelt durch die Pestalozzi und sieht, dass der ehemalige Pornoshop zu vermieten ist. Der gelernte Industriekaufmann, der lange in der Modebranche arbeitete, fackelt nicht lange und bewirbt sich um die Räume. Schon vor 10 Jahren hatte er mit dem Gedanken gespielt, ein eigenes Café aufzumachen. Jetzt macht er’s.

Sieben Monate schuftete Jürgen gemeinsam mit seinem Vater um aus dem Shop sein Café zu machen. Jedes Möbelstück hat seine Geschichte. Derweil lässt die beantragte Nutzungsänderung vom Landesbaukommission auf sich warten. Bei einem „Nein“ wird er nicht starten können. Alles klappt und am 17.08.1998 eröffnet er seine AROMA KAFFEEBAR. Nach zwei harten Jahren kann er sich den ersten Angestellten leisten. Jürgen setzt schon damals auf sehr guten Kaffee und wird zu einer Münchner Institution in der Cafészene. 2006 erweitert er und mietet den Nachbarladen dazu. Heute ist die AROMA KAFFEEBAR ein bunte Mischung aus Tagescafé und Tante Emma Laden. Tolle regionale Lebensmittel, Geschenk- und Scherzartikel sind hier zu finden. Und nicht zu vergessen die Süssigkeitenbar aus unseren Kindertagen.

Wie Jürgen es schafft vom „Lonesome Cowboy“ zum Unternehmen mit 25 Angestellten zu werden, was ein alter VW-Bus damit zu tun hat und warum ihm sein eigener Stil so wichtig ist, das erzählt er euch im heutigen Interview.

Was ist die  AROMA KAFFEEBAR?

Die AROMA KAFFEEBAR ist ein Ort der Qualität, der Atmosphäre, des Wohlfühlens – die Möglichkeit, abgeschirmt von der Außenwelt in eine eigene andere Welt einzutauchen.

Dein USP – was ist bei der AROMA KAFFEEBAR anders als bei anderen Cafés?

Ich glaube, wir haben unseren eigenen Stil. Wir schauen nicht nach links und nach rechts, um zu sehen, was die anderen machen, sondern machen das, was uns gefällt, passt und schmeckt.

Motivation – Wann hast du gegründet? Und warum?

Gegründet habe ich 1998. Aber eigentlich habe ich schon zehn Jahre vorher mit dem Gedanken gespielt, ein Café aufzumachen. Ich weiß gar nicht genau, warum eigentlich, zumal ich damals noch nicht einmal besonders viel Kaffee getrunken habe und auch keine Gastronomieerfahrung hatte. Da war einfach nur der Gedanke oder dieses Gefühl da, irgendwann mal so etwas aufmachen zu wollen.
Eigentlich habe ich Industriekaufmann gelernt und komme aus der Modebranche, das heißt Sportmode und Sportmarketing. Und nachdem ich bei meinem letzten Arbeitgeber gekündigt und dann zufällig dieses leere Ladenlokal gesehen hatte, da habe ich mir gedacht: „Ich glaube, das mache ich jetzt einfach.“ Ich war damals 35 oder 36, und ich wollte mich nicht später mit 50 Jahren fragen müssen:

Warum habe ich das nicht gemacht?

STECKBRIEF AROMA KAFFEEBAR
Adresse: AROMA KAFFEEBAR, Pestalozzistrasse 24, 80469 München, Telefon: 089-2694 9249 www.aromakaffeebar.com

Öffnungszeiten: Montag – Freitag: 07:00 – 22:00 Uhr, Samstag: 09:00 – 22:00 Uhr, Sonn- & Feiertag: 09:00 – 20:00 Uhr

Gründer und Betreiber: Jürgen Altmann

Eröffnung: 17.08.1998,  Erweiterung in 2006

Geschäftsmodell: Café mit Verkauf von Nahrungsmitteln, Dekoartikeln, Karten und mehr.

Besonderes: Zur AROMA KAFFEEBAR gehört heute untrennbar die soziale Plattform SHADES OF LOVE – THE HIMALAYAN EYEWEAR PROJECT. Jürgen, hat während einer Reise in den Himalaya erkannt, dass die Menschen dort den starken UV-Strahlen ausgesetzt sind und dadurch u.a. Augenkrankheiten hervortreten. Um dies vorzubeugen, gründete er das Projekt SHADES OF LOVE.

Mitarbeiter: 4 Vollzeit, 10 auf 450€ Basis, 8 Minijobber

Grösse: ca. 90 qm mit Verkaufsfläche

Kapazität: 40 Sitzplätze innen, 20 Sitzplätze draussen

Finanzierung: Ein Teil des Kapitals kam von meinen Eltern, die mir ein Darlehen gegeben hatten, und dazu hatte ich ein Existenzgründungsdarlehen von der KFW-Bank. Eigenkapital 30% und Fremdkapital 70%

Umsatzverteilung: 25% Food & 50% Beverage, 15% Catering, 10% Laden

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BIO JÜRGEN ALTMANN
Jürgen Altmann
seit 08/1998 – heute: Inhaber von AROMA KAFFEEBAR

Ausbildung:
1980: Realschule
1980 – 1983:  Ausbildung Industrie-Kaufmann

Berufserfahrung:
1983 – 1985 Arlon KG – Becker & Co / Bergsportartikel Hersteller
1986 – 1987 Wehrdienst
1987 – 1991: Manfred Schneider / Jürgen Weiss – deutsche Designer der DOB
1991 – 1993: Umzug nach San Francisco, Cleaning Service
1994 – 1997: Vertrieb und Marketing für Sportartikel

AROMA KAFFEEBAR UND SEINE PHILOSOPHIE
Entspannt, vielseitig und der perfekte Ort für die besondere Auszeit! Die AROMA KAFFEEBAR steht für Qualität, Kreativität und Service.

Im ehemaligen Pornoshop in der Pestalozzi 24 haben wir nach 7-monatiger Umbauphase, 1998 die erste Kaffeebar im Münchner Glockenbachviertel eröffnet. Es ist uns seitdem ein großes Anliegen, unseren Gästen einen Ort zu bieten, mit viel Hingabe, Atmosphäre, Gemütlichkeit, Genuss und Genuss. Im Jahr 2006 wurde die AROMA KAFFEEBAR durch einen modernen Kramerladen erweitert, in dem eine Vielzahl von außergewöhnlichen Produkten zu finden sind.

Meilensteine – Was waren die größten Meilensteine bis zur Eröffnung? Und danach?

Ende 1996, Anfang 1997: Ladenlokal zu mieten und Bewerbung
Zufällig bin ich hier in der Pestalozzi vorbeigeradelt und habe gesehen, dass dieser Laden zu vermieten war. Da war vorher mal ein Porno-Shop drin, der aber mittlerweile schon ausgezogen war. Ich habe mir das ein wenig durch den Kopf gehen lassen und habe dann bei dem Vermieter angerufen. Zu der Zeit hatte ich schon fast befürchtet, dass der Laden vergeben sein könnte. Er war aber noch zu haben und so habe ich mich beworben.

November 1997: Zuschlag
Dann ist es relativ einfach und zügig gegangen. Ich habe den Zuschlag bekommen, unterschrieben und dann ging der Umbau los.

1997/ 1998: Umbau
Zusammen mit meinem Vater habe ich die folgenden sieben Monate hier umgebaut. Mein Vater ist handwerklich sehr begabt und hat hier nicht nur die Toiletten eingebaut, sondern auch die Möbel selbst gebaut und alles Mögliche gemacht. So ist das dann langsam entstanden.

Erfahrungen und Inspirationen in der Gastro
Während der Umbauphase musste ich auch noch Erfahrungen im Gastrobereich sammeln. So bin u.a. nach New York geflogen. Da habe ich mich in der Gastroszene umgeschaut, Eindrücke gesammelt. Zu dem Zeitpunkt wusste ich noch gar nicht genau wusste, wie mein Café eigentlich ausschauen sollte. Ich bin da also komplett blauäugig drangegangen. So hatte ich Geschirr und verschiedene Kleinigkeiten gekauft, nach dem Motto: „Vielleicht brauche ich das irgendwann mal.“ Ich bin so ein bisschen der Sammler-Typ. Peu à peu hat sich hier also alles entwickelt, und ich habe mich praktisch selbst hier gefunden, auch was meinen Geschmack betrifft.
Ich habe irgendwann so eine Art Konzept geschrieben, was ich alles anbieten möchte. Das war als „Roter Faden“ sehr hilfreich für mich. In dieser Zeit bin ich auch das erste Mal überhaupt zu Gastronomie-Messen gefahren, um mir anzuschauen, was es überhaupt so gibt, welche Maschinen ich überhaupt brauche für das, was ich da anbieten wollte.

17.08.1998: Eröffnung
Tag der Eröffnung war der 17. August 1998. Es war kein großes Event, sondern eigentlich mehr ein Soft-Opening. Dazu hatte ich eigentlich nur ein paar Freunde eingeladen, wobei dann aber sogar ein paar Freunde aus Amerika mit dabei waren. Das war wirklich sehr angenehm, ein sehr schöner Tag.

1998 – 2000: Lonesome Cowboy
Am Anfang, das heißt während der ersten zwei Jahre, habe ich den Laden größtenteils allein geschmissen und bin während der ersten Wochen an den Wochenenden noch zusätzlich von einer Freundin dabei unterstützt worden. Eine Zeit lang kamen meine Freunde mit ihrem VW-Bus, parkten ihm vor dem Cafè und ich ging dort ne Runde schlafen.
Das war eine harte Zeit mit 16-Stunden-Tagen. Wir haben immer schon ab sieben Uhr geöffnet gehabt und dann bis abends um 18 Uhr – was bedeutete, dass ich morgens jeweils um fünf Uhr oder halb sechs angefangen habe. Sonntags und montags hatten wir geschlossen, wobei Montag der Tag war, an dem ich dann zum Einkaufen gefahren bin.

2001: Erste Angestellte
Nach ungefähr zwei Jahren war es allerdings so weit, dass ich gemerkt habe: Es läuft so gut, dass ich jetzt auch jemanden einstellen kann.
Den Gedanken, mich zur vergrößern, hatte ich zuerst gar nicht. Ich hätte auch schon anfangs die Möglichkeit gehabt, den zweiten Laden mit anzumieten, wollte das aber damals nicht. Das war mir zu groß.

2004: Nachbarladen dazugemietet & dann erst mal untervermietet
2004 habe ich mir eine dreimonatige Auszeit genommen und bin in den Himalaya gereist und habe da für eine Non-Profit-Organisation gearbeitet. In der Zwischenzeit hatte sich hier jemand anderes um den Laden gekümmert. Während dieser Zeit hatte ich von hier nur einen einzigen arbeitsbezogenen Anruf: Dass da nebenan ein Laden frei werden würde. Darauf habe ich gesagt: „Ja, nehme ich – und dann schaue ich später, was ich damit mache.“

2005/ 2006: Das Konzept des Kramerladens entsteht
Zuerst wusste ich nicht, was ich damit machen sollte. Ich habe ihn erst mal untervermietet. Dann ist dieses Konzept eines Kramerladens entstanden. Das war etwas, was ich gerne wiederbeleben und modernisieren wollte: ein moderner Kramerladen, wo man viele unterschiedliche Dinge kaufen kann. Ich hatte dort eine Theke drin, wo man beispielsweise Wurst kaufen konnte, so wie damals. Leider hat das nicht so gut funktioniert, und wir mussten ein bisschen umstellen und haben dann Sandwiches angeboten. Aber das Angebot an Geschenken, Lebensmitteln usw. – das ist bis heute geblieben.
Ich habe das Konzept immer mal wieder entsprechend angepasst, sehr viel dabei aber nach Gefühl entschieden. Dazu habe ich verschiedene Food-Messen besucht, u.a. in Paris und London, um dort auch immer mal wieder ein paar interessante Kleinigkeiten zu entdecken, die man hier anbieten konnte.

2006: Erweiterung

Finanzierung – Wie hast du dein Startkapital zusammenbekommen?

Ein Teil des Kapitals kam von meinen Eltern, die mir ein Darlehen gegeben hatten, und dazu hatte ich ein Existenzgründungsdarlehen von der KFW-Bank.

Luftsprung – was war das Schönste, was du mit der AROMA KAFFEEBAR erlebt hast?

Es freut mich eigentlich immer, wenn ich sehe, dass die Leute hier mit einem Lächeln rausgehen und es deutlich ist, dass es ihnen gefallen hat und sie zufrieden sind.

Turbulenzen – Was waren die größten Schwierigkeiten im Gründungsprozess? Und danach?

Die Turbulenzen entstanden durch die Genehmigungen, die ich beantragen musste, wie z.B. die Nutzungsänderung. Das war mühsam, und wir mussten immer wieder zur LBK (Landesbaukommission). Das Ganze lief fast ein Jahr lang, und wir haben hier umgebaut, ohne tatsächlich zu wissen, ob der Antrag letztendlich auch durchgehen würde.
Es gibt keine Checkliste der Stadt, mit der man überprüfen kann, was man alles für solch ein Projekt benötigt. Das verstehe ich bis heute nicht. Warum gibt es nicht entsprechende Kataloge, wo alles aufgeführt ist. Es gibt Informationen von unterschiedlichen Stellen. Und da erfährt man auch wieder unterschiedliche Dinge – das ist wirklich mühsam und aufreibend.

Challenge – Was war die größte Herausforderung im Gründungsprozess/ danach/ im Daily Business?

Die größten Herausforderungen betrafen das Finanzielle, Steuern und derartige Dinge, bei denen man sich manchmal wirklich fragt, wie man das alles bewältigen bzw. bezahlen soll.
Der zweite Aspekt ist das Personal. Dabei gibt es teilweise eine starke Fluktuation. Obwohl ich auch Mitarbeiter habe, die schon von Anfang an dabei sind. Oder andere, die seit vier oder zehn Jahren an Bord sind.

Zukunft – Was ist in 12 Monaten anders in der AROMA KAFFEEBAR?

Es könnte sein, dass sich von der Struktur her ein bisschen etwas ändert. Darüber denke ich zurzeit noch nach. Die Überlegung ist, die Ausgabebereiche für Essen und Getränke zu trennen. Auf diese Weise könnte man eventuell Personal reduzieren, denn das ist der größte Kostenfaktor. Vom Finanziellen her ist es nicht immer einfach. Um 25 Leute zu bezahlen, muss man schon eine ganze Menge Cappuccinos verkaufen.
Trotzdem soll natürlich die Atmosphäre erhalten bleiben.

Tipps – Was sind deine 3-Top-Tipps für heutige Cafégründer?

    1. Will ich das wirklich? – Zuerst einmal Gedanken darüber machen, ob man es wirklich machen möchte. Es ist harte Arbeit und mehr als einfach Gäste zu begrüßen und gemütlich Kaffee mit denen zu trinken.
    2. Finanzierung – Die Finanzierung muss stimmen.
    3. Gute Location, vorzugsweise mit sonnigen Außenplätzen – Die Lage muss nicht unbedingt top sein, denn die Gäste kommen, wenn sie das Café gut finden – auch wenn die Lage vielleicht nicht optimal.

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Den wenigsten Cafégründern ist bewusst, was alles auf sie zukommt, wenn sie ihr eigenes Café eröffnen wollen. Für deinen Durchblick habe ich eine Schritt-für-Schritt Anleitung erstellt.  >>  Cafégründung: Schritt-für-Schritt Anleitung zum Erfolg

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