So fand ich „kuchentratsch“

Schon seit vielen Jahren bin ich Leserin der Zeitschrift starting-up – für Gründer und Entrepreneure. Die Rubrik „Ideen/Gewinnerkonzepte“, in der neue Geschäftsideen aus dem In- und Ausland kurz dargestellt werden, gefällt mir besonders. Letzten Sommer wurde dort mit der Überschrift „Lebenslang erprobte Rezepte“ das SocialStartup kuchentratsch von Katharina Mayer und Katrin Blaschke vorgestellt.

Die Idee die Omis zum tratschen und Kuchen backen zusammen zu holen fand ich klasse. Das sie dabei noch ihre Rente aufbessern können – auf 450 € Basis – noch besser. Sofort hatte ich den Nuss-Schoko-Kuchen meiner Oma vor Augen, den Duft in der Nase und sah mich wieder als kleines Mädchen in ihrem Küchenreich. Bestimmt hätte sie auch bei kuchentratsch mitgemacht …

Im März kontaktierte ich die beiden Gründerinnen und konnte die Backstube in der Landsberger Strasse besichtigen, backende und tratschende SeniorInnen kennenlernen und meine Nase in die Backöfen stecken. Toll! Später bestellte ich für meinen Mann den wunderbaren Schoko-Kuchen von Opa Norbert. Seeehr lecker und schwups war er verputzt.

Mich beeindrucken die beiden umtriebigen Unternehmerinnen, die mit viel Elan und learning-by-doing ihre Idee weiterentwickeln. Um die bereits angemietete eigene Backstube seniorengerecht herzurichten und mit mehr technischem Equipment auszustatten lancierten sie im Frühjahr erfolgreich eine Crowdfunding-Aktion. Auch haben die Beiden schon mehrere Preise gewonnen. Zuletzt den Sonderpreis/ Gründerpreis der Stadtsparkasse München.

Lust auf Inspiration? Dann gehts los…

Was ist das „kuchentratsch“? In 140 Zeichen

Man nehme ein bewährtes Rezept, mische es mit regionalen Zutaten und würze das Ganze mit einer Portion Erfahrung und Liebe – fertig ist das Konzept von kuchentratsch.

Euer USP – was ist im “ kuchentratsch ” anders als bei anderen Konditoreien?

Unsere Kuchen schmecken nicht nur besonders gut, weil sie mit einer extra Portion Liebe und Erfahrung gebacken sind, sondern es ist für alle beteiligten eine WinWin-Situation. Wir sind ein SocialStartup, bei dem der Kunde einen leckeren mit nachhaltigen Zutaten gebackenen Kuchen bekommt und den SeniorInnen durch den Kauf die Möglichkeit gibt sich etwas zur Rente dazu zu verdienen. Neben dem finanziellen Aspekt, haben die SeniorInnen eine Aufgabe der sie gerne nachgehen und die Möglichkeit neue Leute kennen zu lernen.

KATHARINA MAYER

Aufgaben bei „kuchentratsch“:
* Vertrieb
* Projektmanagement
* Personal intern
* Finanzierung

Heimatstadt: München

Ausbildung:
01/14 B.A. Studium in Nonprofit- Sozial- und Gesundheitsmanagement, Management Center Innsbruck
02/08 Ausbildung zur Hotelfachfrau, Arabella Sheraton Hotels

Vorherige Jobs:
02/15 Werkstudentenjob bei Talent Tree
02/13 Praktikum im Europäischen Parlament

KATRIN BLASCHKE

Aufgaben bei „kuchentratsch“:
* Betriebsleitung (SeniorInnen, Zutatenlogistik, Vorschriften)
* Marketing und PR
* Buchhaltung

Heimatstadt: Bellenberg (Kreis: Neu-Ulm)

Ausbildung:
09/13: B.A. Studium Communication & IT, Management Center Innsbruck

Vorherige Jobs:
03/15 Werkstudentenjob bei OSRAM GmbH, Strategie und Marketing
06/14 Werkstudentenjob bei Will Agrarberatung
01/14 Praktikum und anschließend Werkstudent bei Articus & Stewens PR

KUCHENTRATSCH UND SEINE PHILOSOPHIE

Kurz & knapp die Philosophie hinter „kuchentratsch“; was ist die Vision und Mission? Für welche Werte steht das „kuchentratsch“ ein?
Kuchentratsch ist ein SocialStartup und bietet eine neuartige Anlaufstelle für SeniorInnen, die mit einer konkreten Aufgabe, dem gemeinschaftlichen Kuchenbacken, verbunden ist. Damit wird eine Verknüpfung von Beschäftigung, generationenübergreifendem Austausch und Vernetzung sowie auch finanziellem Zugewinn geschaffen. Die SeniorInnen erleben Gemeinschaft, übernehmen Verantwortung und sind Teil eines Unternehmens, für das ihre Ideen, ihr Wissen und ihre Fertigkeit von maßgeblicher Bedeutung sind.

Unsere Werte sind:
* Nachhaltigkeit
* Regionalität
* Tradition
* Ehrlichkeit

ADRESSE UND CO.

Kuchentratsch UG (haftungsbeschränkt)
Landsberger Straße 59
80339 München

Tel.: 0173 2593416 oder 0157 33664662
www.kuchentratsch.de
fb: kuchentrasch
twitter: @kuchentratsch
Instagram: @kuchentratsch

Veranstaltungen:
Kuchen für Caterings

MVV:
Alle S-Bahnen, Haltestelle Donnersberger Brücke
Tram 19, Haltestelle Schrenkstrasse

Öffnungszeiten:
Derzeit noch kein Publikumsverkehr

Leidenschaft – Woher rührt Eure Leidenschaft fürs Backen/ für die alten Omis?

Wir haben Beide fitte Omas zuhause. Allerdings sind sie verwitwet und viel alleine. Wir wünschten uns für sie, dass sie noch einmal eine Aufgabe bekommen, sie etwas zu tun haben.

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Omas und leckere Kuchen gehören für uns zusammen. Jetzt kommen sie in unserer Idee auch zusammen.

Magic Moment – Könnt Ihr Euch noch genau an den Moment erinnern, als Ihr dachtet: Ja, wir machen „kuchentratsch“ jetzt?

So einen richtigen Magic Moment gab es nicht. Katharina war viel auf Reisen, auch in Brasilien. Dort beobachtete sie den Strassenverkauf von Süsswaren: Die Kuchen und Plätzchen, die die ältere Generation gebacken hatte wurde von der Jüngeren auf der Strasse verkauft hat. Katharina dachte sich, es wäre doch toll so etwas Ähnliches auf der Kaufinger Strasse hier in München zu implementieren.

Zurück in München erkläre sie mir die Idee, die ich sofort super fand. Dann haben wir an der Idee rumgebastelt und irgendwann purzelte „kuchentratsch“ raus.

Meilensteine – Was waren die wichtigsten Schritte bis das “kuchentratsch” den ersten Kuchen verkauft hat?

Kennenlernen und Katharinas’ Idee
Wir haben uns während des Studiums in Innsbruck kennengelernt. Nach Brasilienreise kam Katharina mit der Ursprungsidee zurück (siehe oben – Magic Moment)

November/ Dezember 2013: Umsetzung beginnt
Ok, wir machen das jetzt einfach mit unserem SocialStartup. Wir springen ins kalte Wasser. Allerdings haben wir es uns viel einfacher vorgestellt, als es letztendlich war. Wir starteten mit dem Logo-Entwurf, stellten unsere facebook-Seite ins Netz und gestalteten unsere Webseite. Das ging gut.

Ende Nov 2013: Wir haben ein Stipendium bei „social impact start“ bekommen
Das „social impact start stipendium“ unterstützt social Startups in der Anfangs- und Gründungsphase ihrer sozial innovativen Geschäftsideen. Ein Teil des Stipendiums war unser erster Arbeitsplatz im Impact HUB. Der andere Teil waren individuelle Coachings, professionelle Fachberatung, Mentoring durch eine sehr engagierte SAP Mitarbeiterin und der Zugang zu den unterschiedlichsten Netzwerken.

Im „Impacht HUB“ haben wir uns dann zweimal in der Woche getroffen. Wir begannen mit der Recherche, was wir für „kuchentratsch“ alles so brauchen würden.

April 2014: Gründung „kuchentratsch UG“

Suche nach der Küche – Stress wegen fehlender Konditorenzulassung
Wir hatten uns gedacht unsere Kuchen z.B. in Kindergarten- oder Schulküchen backen zu können. Allerdings ist dies aus hygienetechnischen Gründen nicht möglich. Es musste eine gewerbliche Küche sein. Doch schnell fand sich die „alte Küche“ im Hauptzollamt als erste Backstube für uns.
Dann der nächste Stress: Wenn wir öffentlich Kuchen herstellen und verkaufen wollen benötigt einer von uns Betreibern die Konditorenprüfung. Wir beantragten eine Ausnahmegenehmigung bei der Konditoreninnung für eine verkürzte Ausbildung. Die bekamen wir dann auch und Katharina legte diese Prüfung ab. Jedoch ging hier viel Zeit ins Land und teuer war es auch – ca. 1.100 € mit denen wir nicht gerechnet hatten.

Wenn du mehr Infos zum Thema Konditorenprüfung, Härtefall & Co suchst, dann lies meinen Blogpost selbstgebackene Kuchen verkaufen ohne Meister.

Juli/August 2014: Katharina besteht die Konditorenprüfung und der Backbetrieb startet

Bettina Sturm von RespektHerrSpecht interviewt Katharina Mayer und Katrin Blaschke vom #SocialStartup kuchentratsch. Bettina Sturm von RespektHerrSpecht interviewt Katharina Mayer und Katrin Blaschke vom #SocialStartup kuchentratsch.

Crew und Kuchenangebot

Unsere Crew
Derzeit haben wir 18 Omas und einen Opa, die bei uns backen, Spass haben und ihre Rente aufbessern – auf 450 €-Basis.

Unser Angebot
Typische Oma-Rezepte aber auch individuelle Kundenwünsche. Bei Bedarf auch gerne vegan, glutenfrei oder ohne Laktose.

Kuchenkauf
Wir haben zwei Kundengruppen: Zum einen die Privatleute, die den Kuchen bei uns dbestellen oder z.B. in den Geschäften von „Black Bean“ und „The Coffee Company“ direkt kaufen. Die andere Kundengruppe sind die Firmenkunden, wie z.B. „IHK für München“ oder die „BMW-Stiftung“.

Demnächst können ganze Kuchen auch bei uns im Laden in der Landsberger Strasse gekauft werden.

Finanzierung – Wie habt Ihr Euer Startkapital zusammen bekommen?

Wir haben uns sehr umfassend mit möglichen Finanzierungsmöglichkeiten beschäftigt. U.a. haben wir probiert einen Bankkredit zu bekommen. Unser Anliegen wurde jedoch abgelehnt, weil wir zu wenig Eigenkapital hatten.

Anfangs hatten wir Beide noch Werkverträge an der Uni und arbeiteten als Werkstudenten. Damit haben wir unseren Unterhalt finanziert. Wir hatten ja keine grossen Ausgaben. Später mussten wir die Miete für die Gewerbeküche begleichen, unsere SeniorInnen zahlen und Zutaten verkaufen. Aber das konnten wir nahezu aus den Kuchenerlösen zahlen.

Mai 2014: Wir gewinnen beim yooweedoo Ideenwettbewerb
Mit dem gewonnen Preisgeld können wir die Grundausstattung für die Küche kaufen und erste Testläufe finanzieren.

Januar 2015: Entscheidung für Crowdfunding-Aktion; Finanzierungszeitraum: 16.02 – 23.04.2015
Wir wollten unser Projekt voranbringen, eine eigene Backstube finden und diese seniorengerecht einrichten. So haben wir uns entschieden, unsere Crowdfunding-Aktion ins Leben zu rufen. Wir dachten, es wäre eine sinnvolle Idee, weil wir eine schöne Geschichte erzählen können. Wir hofften auf jede Menge Presseawareness. Ja, die hatten wir. Aber wir denken, dass wir dieses Level auch mit normaler Pressearbeit erreichen hätten können. Denn die Pressevertreter kam wegen unserer Geschäftsidee zu uns und nicht wegen der Crowdfunding-Aktion.

Ob wir es nochmals machen würden? Die Aktion erforderte verdammt viel Aufwand. Wir haben extra für das Crowdfunding eine zusätzliche Person eingestellt.

Neue Wirkungsstätte finanziert durch eigene Ersparnisse, Privatdarlehen
Für unsere neue Wirkungsstätte in der Landsberger Strasse haben wir für die Überbrückung unsere Ersparnisse eingesetzt und Privatdarlehen eingesammelt. Das Geld ist in die Umbauarbeiten eingeflossen.

Support – Wer waren die größten Unterstützer im Gründungsprozess?

Als erstes haben wir Beide uns gegenseitig „die Stange“ gehalten.

Das Stipendium von „social impact start“ war für uns als SocialStartup eine grosse Unterstützung: Zum einen konnten wir uns an unserem Arbeitsplatz im HUB mit anderen Entrepreneuren austauschen und zum anderen hatten wir Joscha Lautner – den Mitgründer des HUB München – als privaten Coach. Immer wenn wir von unserem Weg abkamen, hat er uns wieder eingefangen.

Die BMW-Stiftung war bei unserem Start ein guter Multiplikator. Wenn wir in Aquisegesprächen sagen konnten: „Wir machen Catering für die BMW-Stiftung“ – hat sich der Interessent in Sicherheit gewogen und wir bekamen den Zuschlag.

Turbulenzen – Was war die grösste Turbulenz im Gründungsprozess?

Der Stress mit der Handwerkskammer bzgl. der Konditorenprüfung hat uns beschäftigt. Ansonsten hatten wir rückblickend keine richtigen Turbulenzen. Wir haben einfach gemacht.

Schwierigkeiten – Irgendwas oder wer funktioniert nicht so, wie Du Dir das vorstellt: Wen oder was fragst Du für eine Lösung?

Wenn wir es selbst richten können, werden wir erst mal selbst aktiv.

Bei handwerklichen Dingen fragen wir Katharinas’ Freund. Wenn es um die Elektronik geht rufen wir den Elektriker an. Denn da trauen wir uns nicht ran.

Ansonsten ist unsere Devise learning-by-doing.

Schwierigkeiten – Wo wollt Ihr noch besser werden?

Unser Marketing wollen wir professionalisieren. Unsere Pressearbeit hat uns extrem viel Bekanntheit und Sichtbarkeit gebracht. Darüber hinaus stecken wir noch in den Kinderschuhen. Gerade erarbeiten wir eine Marketingstrategie.

Die Verpackung unserer Kuchen ist auch ein wichtiges Thema. Sie soll zum einen schöner werden und zum anderen nachaltiger sein.

Unsere Ausstattung erweitern. Wir brauchen mehr Backöfen, damit wir die Anzahl der gebackenen Kuchen steigern können. Derzeit haben wir sechs Backtationen und nur fünf Backöfen. Das führt zum Kuchenstau, weil die Omas schneller backen als die Öfen backen können. In den vier Stunden backt jede Oma im Schnitt sechs Kuchen.

Auch die Frage: Wie kommt der Kuchen zum Besteller? – beschäftigt uns. Derzeit haben wir einen Lieferservice dazu gebucht. Bestellungen in räumlicher Nähe können wir mit unserem Fahrrad ausfahren.

Treibstoff – Was motiviert Euch jeden Morgen aus dem Bett zu steigen?

Die Freude mit den SeniorInnen zusammen zu arbeiten und zu sehen, was wir dadurch bewirken. Es macht Ihnen so viel Spass und sie kommen gerne in die Backstube. Wir erleben, wie sich Freundschaften bilden. Das ist toll.

Wir wollen zeigen, das man ein soziales gesellschaftliches Probleme mit einem wirtschaftlichen funktionierenden Unternehmen lösen kann. Die Omas werden für ihr Backen mit 450 € entlohnt.

Ausserdem tüfteln wir gerade an einem sozialen Zusatzprogramm unseres Vereins: Wir wollen z.B. Ausflüge für die SeniorInnen oder Bastelnachmittage anbieten.

Stärken – Welche drei Eurer Stärken kommen Eurem Business zu gute?

Katharina: Kommunikation, Risikofreude, Ideen
Katrin: Organisation, Kreativität, Umgang mit Menschen

Adjektive – welche drei Adjektive beschreiben Euch am besten?

Katharina: flexibel, offen, neugierig
Katrin: ruhig, kreativ, neugierig

Zukunft/ Vision: Was ist im „kuchentratsch“ anders in 12 Monaten/ 3 Jahren?

In zwölf Monaten…

… hat sich unsere Backstube in München etabliert. Wir haben hier unseren Verkaufsraum eingerichtet und starten mit dem Strassenverkauf. Wir starten mit dem Verkauf von ganzen Kuchen. Wenn es sich lohnt werden wir dann umschwenken auf halbe Kuchen oder sogar Kuchenstücke.

… haben wir unseren Onlineshop eröffnet. Hier ist das Ziel spätestens Ende des Sommers zu starten.

… haben wir unser Produktsortiment erweitert. Wir denken an Marmelade und Säfte, sowie weitere Produkte, die sich gut vorbereiten und auch über den Onlineshop verkaufen lassen.

… bringen wir unser Konzept in anderen deutschen Städten unter. Auf unserer Liste ganz oben stehen Stuttgart, Hamburg und Frankfurt. Hier herrscht eine ähnliche Mentalität wie bei uns in München.

In drei Jahren:

Da wollen wir uns noch nicht festlegen. Die nächsten zwei Jahre wollen wir uns auf unser Geschäft konzentrieren und wachsen.

Sliderphoto von Michael Ruder

Kuchentratsch rockt – Katharina war in „Die Höhle der Löwen“

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